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In den 50er und 60er Jahren

In den 50er und 60er Jahren

bergischeblätter
Februar 2022

Gisela Schmöckel

In "Tante Mary und das Wirtschaftswunder" zeigt Lothar Vieler Kindheit und Jugend in den 1950er und 60er Jahren

Der Remscheider Stadtteil Lennep hat noch nach dem 2. Weltkrieg seine Eigenständigkeit bewahrt, auch wenn die frühere Kreisstadt schon 1929 nach Remscheid eingemeindet wurde. Bekannt ist heute die Altstadt mit dem Röntgen- Museum, mit der S-Bahn 7 (,,Der Müngstener“) zwischen Wuppertal und Solingen gut zu erreichen. Dem Bahnhof sieht man kaum noch an, dass er einmal ein bedeutender Knotenpunkt und Güterbahnhof für die Linien nach Radevormwald, Marienheide, Opladen bis Köln und eben nach Solingen war. Nur die „Balkantrasse“ für Radfahrer und Spaziergänger kann noch an die damalige Bedeutung erinnern. An ihrem Startplatz befand sich früher eine Drehscheibe für Lokomotiven. Dieses Gelände mit seinen Kriegsschäden war für Lenneper Kinder ein einzigartiger Abenteuerspielplatz.

In seinem Buch ,,Tante Mary und das Wirtschaftswunder“ schildert der 1948 in Remscheid geborene Lothar Vieler die Erlebnisse im Nachkriegs-Lennep zwischen Trümmergrundstücken, Fachwerkhäusern, dem ehrwürdigen Kreishaus und der Schule. Vieler ist unter dem Namen „Gustav vom Hackenberg“ Stadtführer für Lennep und Umgebung sowie Naturparkführer mit Wanderungen im Naturpark Bergisches Land. Anschaulich und spannend berichtet Vieler über 2 Jahrzehnte über Veränderungen der Stadt und der Lebensverhältnisse, immer die Situation des Erinnerns im Blick. Wie ein Kaleidoskop setzt sich so Stadtgeschichte aus einzelnen Erlebnissen zusammen - aus der Erinnerung an die persönlichen Erfahrungen als Kind und Jugendlicher erzählt. Dabei geht es um Ferienausflüge aufs Land in Hessen, ums Zelten am Wupperwehr in Krebsöge - heute in der Wupper-Talsperre versunken - und Besuche in der Milchbar. Erzählt wird von den ersten Fernsehwundern, den Erlebnissen bei den bis heute legendären Aufnahmen für den Francis-Durbridge- und „Straßenfeger“-Krimi ,,Das Halstuch“ in den Lenneper Altstadtgassen, bei denen sein Fahrrad eine wichtige Rolle bekam, oder auch von der Angst im Schneesturm auf dem Hohlweg zwischen dem abgelegenen Dorf Hackenberg und Lennep. Von Tante Mary kamen zu Weihnachten die bestaunten und ersehnten Care-Pakete aus Amerika und Kinder hatten neben Schule und familiären Verpflichtungen einen heute unvorstellbar großen Freiraum zum Entdecken der Umgebung. 

Das Buch ist in der Reihe „Mein Bergisches Land“ des Remscheider Bergischen Verlags erschienen und nicht nur für Lenneper spannend. Mehr Fotografien - sowie ein Stadtplan der 1950er Jahre - hätte es allerdings noch informativer gemacht. Sehr gut gelöst ist, dass Lothar Vieler historische, lokale und internationale Ereignisse in grau unterlegten Anmerkungen einschiebt, sodass das allgemeine und das persönliche Geschehen in Beziehung gesetzt werden. Das Buch ist unterhaltsam und informativ, zugleich eine Art Entwicklungsroman für die ganze Familie, nicht nur in Lennep