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Neue Biografie über Pina Bausch

Rheinische Post, Kultur, 14.12.2012


von Dorothee Krings

Rheinische Post, Kultur, 14.12.2012

von Dorothee Krings

Sie wollte tanzen, um von Menschen und deren Gefühlen zu erzählen, doch als Ballerina fühlte sie sich nicht wohl. "Die Spitzenschuhe kamen mir vor wie Boxhandschuhe", hat Pina Bausch einmal gesagt, "ich muss meine Füße frei wie Hände spüren." Tanz war für die Wuppertaler Choreografin eine Sprache, mit der sie von Angst, Sehnsucht, Verzweiflung erzählen konnte – ohne Umweg über das abstrakte Wort. Bausch ging es nicht um die edle Dressur des Körpers, sondern um Wahrheit im Ausdruck. Zwar hat sie eine klassische Ballett-Ausbildung absolviert, war eine gefragte Ballerina, doch schon während des Studiums an der Essener Folkwangschule traf sie auf Künstler anderer Sparten und begriff, dass sie ihren Ausdruck nur finden kann, wenn sie sich aus dem klassischen Korsett befreit. So hat Pina Bausch aus Tanz Tanztheater gemacht.

Die Menschlichkeit und Weisheit dafür hat sie früh gesammelt: "Ich habe schon als Kind ein tiefes Gespür für meine Mitmenschen entwickelt", hat sie gesagt, "ich empfinde Menschen sehr stark". Als Tochter eines Wuppertaler Gastwirts konnte sie in der Kneipe der Eltern Menschen studieren. Und sie genoss die große Freiheit eines Kindes viel beschäftigter Eltern. Als sie zwölf Jahre wurde und der Vater zu einer Kur musste, führte sie die Kneipe ganz allein. So ist sie geliebt, aber nicht zu behütet, zu einem starken Menschen herangewachsen und konnte eine große Künstlerin werden. Episoden wie diese, die nicht belanglos aus dem Leben plaudern, sondern zu ergründen versuchen, wie ein Mensch geformt wurde, machen Biografien lesenswert.

Die Wuppertaler Autorin Marion Meyer hat solche Geschichten zusammengetragen und eine umfassende Biografie über Pina Bausch verfasst. Kenntnisreich, aber ohne Fachtümelei, schreibt sie über Leben und Werk der Begründerin des Tanztheaters. Dazu erinnern viele Fotos an die Arbeiten der Choreografin; es gibt zudem einen Interview-Anhang. Darin antwortet Bausch auf die Frage, warum sie Wuppertal treu geblieben sei: "Wegen der Bühnen. In Wuppertal ist Theater mitten im Alltag, das hatte immer einen großen Reiz." Es ist gut, in Zeiten von Theaterschließungen solche Sätze zu lesen. Sie gehören zum Erbe der Pina Bausch.